CSD 2021: 10 Jahre CSD Darmstadt

Wir kämpfen. Wir feiern. Zusammen.

10 Jahre − ein Rückblick

Für queere Menschen in Darmstadt gab es vor zehn Jahren genug Grund, sich zu organisieren, ein Netzwerk zu bilden und auf die Straße zu gehen. In Darmstadt gab es kaum Räume für queeres Leben. Die queere Welt war auch sonst zumindest in Teilen noch eine andere − zum Beispiel schien die Ehe für Alle meilenweit entfernt, gleichgeschlechtliche Paare, die in einer “eingetragenen Lebenspartnerschaft” lebten, durften nicht gemeinsam Kinder adoptieren. Die sogenannte “Demo für Alle” bildete sich und machte ab 2014 mit queerfeindlichen Aussagen Druck.

Wir, lesbische, schwule, bisexuelle, trans* und queere Menschen haben uns in Darmstadt getraut, laut zu demonstrieren und auch Forderungen an die Stadtgesellschaft, an die Politik und auch an die Community selbst zu stellen. Insbesondere im Rahmen des trans*-Prides im Jahr 2018 haben wir uns dafür ausgesprochen, dass Solidarität auch innerhalb der größer werdenden Community gelten muss. Zusammenstehen und gemeinsam Fordern hat uns auch für Darmstadt enorm viele Erfolge beschert.

Das Queere Zentrum mit professioneller Jugendarbeit, der Rainbow Refugee Support für queere Geflüchtete, jährliche Aktionen zum IDAHOBIT*, ein Mahnmal für Opfer des Paragraphen 175 und ein Queer-Beauftragter bei der Stadt Darmstadt − das alles wäre nicht möglich gewesen ohne die queere Community, die in den letzten zehn Jahren rund um vielbunt e.V. und den CSD Darmstadt zusammengewachsen ist und sich weiterentwickelt hat. Darüber hinaus sind wir in dieser Zeit ein selbstverständlicher und sichtbarer Teil der Stadtgesellschaft geworden, wodurch sich das gesellschaftliche Klima für queere Menschen in dieser Stadt verbessert hat. Die Darmstädter CSD-Demoparade ist nicht nur größer, sichtbarer und diverser geworden − sie ist heute die zweitgrößte in Hessen − und wird schon lange überregional wahrgenommen. Wir haben viel erreicht − und es bleibt noch viel zu tun.

Warum kämpfen?

Typische Alltagsdiskriminierungen wie Benachteiligungen in Job und Schule, Beschimpfungen, Beleidigungen und körperliche Gewalt gegen uns zeigen bis heute, dass der öffentliche Raum für uns nicht immer sicher ist. Die Diskriminierung lesbischer Ehepaare bei der gemeinsamen Mutterschaft, das de facto Blutspendeverbot für schwule und bisexuelle Männer, die immer noch vorhandene Ausnahme für kirchliche Arbeitgeber im Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz, der fehlende Diskriminierungsschutz in Artikel 3 des Grundgesetzes sowie Menschenrechtseingriffe bei trans* und inter* Menschen und viele weitere Einschränkungen existieren nach wie vor und beeinträchtigen unsere Selbstbestimmung und unsere Sicherheit.

Hinzu kommen gerade in den letzten Jahren reaktionäre Kräfte, die zu viel Gehör finden und uns unsere erkämpften Rechte und die gesellschaftliche Teilhabe streitig machen wollen. In autoritären Staaten wie Russland oder auch von EU-Mitgliedern wie Polen und Ungarn, wo diese Rollbacks bereits passieren, gibt es zu wenig Widerspruch. Auch andere Länder handeln zu wenig im Kampf gegen Diskriminierung und Stigmatisierung im eigenen Land und bei ihren Nachbarn.

Wir haben noch lange nicht alles erreicht und unsere Erfolge sind auch nicht automatisch dauerhaft gesichert. Es gilt, auch weiterhin auf Diskriminierung gegen uns aufmerksam zu machen und für unsere Freiheit und Rechte zu kämpfen − in Darmstadt, in Deutschland und weltweit!

Warum feiern?

Der Christopher Street Day ist eine politische Demonstration, bei der queere Menschen ihre Forderungen auf die Straße tragen. Mit dem CSD nehmen wir öffentlichen Raum ein und verändern ihn in unserem Sinne. Das Treffen mit anderen queeren Menschen und das Einstehen für gemeinsame Werte wirkt befreiend auf Menschen, die es an allen anderen Tagen gewohnt sind, ihre Identität zu verstecken und sich zu verstellen. Wir setzen ein politisches Statement nach außen, das gefüllt mit Stolz und Selbstbewusstsein ist − wir fühlen uns wohl damit, wer wir sind. Wir zeigen “Pride”!

Wir nutzen diesen Tag, an dem das Feiern als queere Gemeinschaft in der Öffentlichkeit möglich ist, um uns auch selbst zu stärken. Er ist auch ein queerer Raum, in dem Begegnung, Community, Sicherheit und Selbstbewusstsein erfahren und gefeiert werden können. Das setzt unseren negativen Erfahrungen eine positive Realität entgegen. Diesen besonderen Tag erleben wir frei und selbstbestimmt. Wir feiern unsere Erfolge und unsere Solidarität und wir sammeln Kraft für die nächsten Schritte.

Warum “wir” als Community?

Als Einzelpersonen können wir Diskriminierung nicht überwinden. Nur zusammen gelingt es, Sichtbarkeit für unser Anliegen zu erzeugen: die Befreiung queerer Menschen aus ihrer Ausgrenzung, Abwertung und Entrechtung. Dabei verbinden uns ähnliche Geschichten und Erfahrungen, auch Diskriminierungserfahrungen. Wir suchen einander, weil wir nach einer Gemeinschaft streben, in der wir vorbehaltlos akzeptiert und verstanden werden. Dafür haben wir in den vergangenen Jahren in Darmstadt sichere Räume geschaffen. Diese sind jedoch verletzbar und bedürfen unseres solidarischen Schutzes. Lasst uns füreinander da sein, uns gegenseitig unterstützen und miteinander eine gute Zeit haben. Zusammen sind wir am stärksten!

Wir kämpfen. Wir feiern. Zusammen.