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Queere Menschen brauchen andere queere Menschen. Die queere Community, die sich aus Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Trans* und Inter* bildet, macht verschiedene Formen und Kulturen eines starken Miteinanders möglich. Queere Menschen können davon profitieren und diese Community für sich nutzen und gestalten. Dabei müssen Wege gefunden werden, für unterschiedliche Interessen Raum zu lassen, Gemeinsamkeiten zu entwickeln und diese zu stärken. Eine queere Community gibt es nicht von selbst und sie entsteht auch nicht automatisch durch ähnliche Erfahrungen mit Diskriminierung, Abwertung oder Gewalt. Sie entsteht, wo queere Menschen sich gegenseitig unterstützen, gemeinsam für ihre Interessen kämpfen, ihre Vielfalt bewahren und miteinander solidarisch sind.
Unterstützung und Schutz organisieren.
Queere Menschen machen verschiedene negative Erfahrungen als Mitglied von geschlechtlichen und sexuellen Minderheiten. In einer Gesellschaft, die nur zwei Geschlechter und nur eine sexuelle Orientierung als richtig gelten lässt, werden queere Menschen täglich abgewertet, unsichtbar gemacht, verunsichert und bedroht. In keinem Land auf dieser Welt sind queere Menschen vollkommen gleichberechtigt und sicher. In einer solchen Welt müssen queere Menschen sich um Schutz und gegenseitige Unterstützung vor allem selbst kümmern. Es geht darum, queere Einsamkeit zu überwinden, Räume für Austausch, stärkende Gemeinschaftserfahrungen und Alternativen zu schaffen: Unsere Räume, Literatur, Kunst, Filme, Musik entstehen trotz und auch wegen einer feindlichen Umwelt – sie sind kein Lametta gegen Langeweile!*
Für unsere Interessen kämpfen.
Wir brauchen einander mehr denn je, wenn wir es besser machen wollen für Lesben, Schwule, Bisexuelle, Trans* und Inter*. Queeres Engagement hat dazu geführt, dass in einigen Ländern die staatliche Verfolgung gleichgeschlechtlicher Sexualität beendet wurde, dass AIDS-Hilfen, queere Organisationen und Räume gefördert werden, dass Opfer von staatlicher Verfolgung entschädigt werden, dass die Ehe geöffnet wurde, dass Teile des Transsexuellengesetzes außer Kraft gesetzt wurden, dass die dritte Geschlechtsoption eingeführt wurde, dass queeren Geflüchteten geholfen wird. Unser Zusammenhalt hat dazu geführt, dass wir in Krisenzeiten durchhalten können. Gerade auch in Krisenzeiten ist unser Zusammenhalt wichtig. Aber wir sind noch nicht fertig! Noch immer erfahren queere Menschen Gewalt und Ausgrenzung, noch immer verhindert das Transsexuellengesetz die geschlechtliche Selbstbestimmung, noch immer leiden queere Jugendliche unter Konflikten in ihren Familien und Ausgrenzung in Schulen, noch immer werden intersexuelle Neugeborene ohne medizinischen Grund operiert und geschädigt, noch immer verstecken queere Menschen ihre Identität im Alltag. Noch immer wird queeres Leben in Medien, Institutionen, Politik und Gesellschaft marginalisiert. In unseren Vereinen und Initiativen und auf unseren Christopher Street Days können wir gemeinsam für queere Selbstbestimmung und den Schutz queerer Menschen streiten und kämpfen, sowie zur ihrer Sichtbarkeit beitragen.
Voneinander lernen und Vielfalt schützen.
Wir sind sexuelle und geschlechtliche Minderheit. Aber in unserer Minderheit sind wir nicht identisch. Geteilte Erfahrungen und gemeinsame Kämpfe können uns zusammenbringen – sie machen uns aber nicht gleich. Wir müssen unsere Unterschiede wahrnehmen und respektieren. Wir müssen ernst nehmen, dass Lesben und Schwule sehr unterschiedliche Erfahrungen sammeln – auch weil alltäglicher Sexismus lesbische Frauen in ihrer Selbstbestimmung einschränkt. Wir müssen darüber reden, dass schwulen Männern ihre Männlichkeit aufgrund ihrer sexuellen Orientierung abgesprochen wird. Wir müssen den Rassismus und weitere Formen der Diskriminierung erkennen und bekämpfen, die in unserer Community vorhanden sind. Wir müssen uns mit den falschen Bildern von Geschlechtern in unseren Köpfen beschäftigen, wenn wir mit trans* und inter* Menschen solidarisch für geschlechtliche Selbstbestimmung streiten wollen. Dabei dürfen wir uns nicht von außen auseinandertreiben lassen und unsere Interessen nicht gegeneinander in Stellung bringen. Wir müssen zusammenhalten und dabei unsere Vielfalt schützen.
Auch für andere kämpfen.
Unsere Solidarität hat uns bereits Erfolge gebracht. Trotzdem entstehen auch immer wieder neue Herausforderungen und die queere Community wird vielfältiger. Sie hat neue Themen und neue Fahnen aufgenommen. Sie kann weiterhin der Ort sein, an dem sich diskriminierte Minderheiten verbünden und ihre Kämpfe zusammenführen. Dabei ist es wichtig, dass wir nicht für andere sprechen, sondern uns gegenseitig stärken. Die Perspektiven einzelner sollen nicht verschwinden oder unsichtbar werden. Sie sollen sichtbarer und lauter werden!
Wir brauchen uns, um zu werden, wer wir sind. Darum halten wir zusammen.
*Stephanie Kuhnen in ihrer Rede anlässlich des IDAHOBIT 2020 in Berlin.