CSD-Kundgebung: Rede von Beate Leisner

Während der zweiten Rede unserer CSD-Kundgebung sprach Beate Leisner. Die persönliche Geschichte einer späten Selbstfindung und des Outings standen im Mittelpunkt dieser Rede. Sie beschrieb, wie die Offenlegung der eigenen sexuellen Orientierung zu einer tiefgreifenden persönlichen Transformation führte. Beate betonte die Bedeutung von Sichtbarkeit und Akzeptanz in der Gesellschaft. Die volle Rede gibt es nun auf csd-darmstadt.de zu lesen. (Foto: Falk Fleischer)

Vor 10 Jahren stand mein Leben Kopf. Trennung nach knapp 15 Jahren. Stimmverlust – auch die Ausübung meines Berufes stand plötzlich auf der Kippe. Ich durchdachte mein Leben neu. Bisher fühlte ich mich fein – im Hetero dasein – erkannte aber auch schmerzhaft, dass ich mich schon immer, mal in Frauen, mal in Männer verliebte. Ich verheimlichte es – tat so, als ob es gar nicht so wäre. Dann spürte ich, während ich wochenlang nicht sprach und sang – da ist etwas in mir, was aus- und gelebt werden will. Ich wollte damit klar werden und endlich herausfinden, wie weit mein – für mich noch geheimnisvolles Frauenbegehren gehen will.

2013 war mein 1. CSD hier in Darmstadt, damals noch auf dem Riegerplatz. Dort war mein 1. Date mit Heidi – knall, bumm – peng – alles war anders, schön, lebens- und liebenswert. Mit über 40 erlebte ich, was es bedeuten kann, sich nochmal pubertär zu fühlen, im positiven Sinne.

Kurz darauf kam mein offizielles Outing, zunächst bei engen Freund*innen, dann bei der Familie und meinem gesamten Musiker*innen-Umfeld. Schritt für Schritt wurde das Outing ein Befreiungsschlag. 

Ich blühte förmlich auf. Ich dachte nicht, dass das Offenlegen meiner sexuellen Orientierung solch ein Seelen- und Herzensöffner sein wird. So fand ich zurück zu mir, zur Stimme, zum wirklichen Begehren, zur Kreativität, zu meinem purem Selbst – voller Freude und allem mir nie vorher erahnten Möglichkeiten. Mein Leben wurde plötzlich so echt und durch und durch bedingungslos ehrlich und authentisch.

Heidi und ich feiern heute unser 10 Jähriges und wir freuen uns über uns und darüber, dass wir uns in dieser Vielfalt kennen und lieben gelernt haben. Wir freuen uns auf das, was da noch so kommt. 

Wir sind sichtbar – wir können es uns erlauben, ”Lesbische Sichtbarkeiten“ hierzulande – in diesem, noch nahezu sicheren Umfeld, zu leben.

Heute weiß ich: Lesbische Sichtbarkeit ist alles andere als bequem. 10 Jahre mit vielbunt – spüre und merke ich immer mehr, auch bei vielbuntist nicht alles vielbunt.

Unsere queere Community ist vielfältig, wir leben und lieben die Vielfalt, sie ist unser Ziel. Binäre Welten treffen auf Nicht-Binäre Welten. Frauenwelten treffen auf Männerwelten. Transwelten treffen auf Cis-Welten, Lesbenwelten auf Schwulenwelten und vieles mehr.

Ich wünsche uns mehr Austausch untereinander, mehr Interesse aneinander und mehr Offenheit füreinander.

Lasst uns in einen konstruktiven, ehrlichen und offenen Dialog kommen.

Vor 10 Jahren war mein offizielles Outing – 2013 lernte ich hier, auf dem CSD in Darmstadt, meine Frau Heidi kennen und lieben. Damals war mir nicht klar, worauf ich mich da einlasse.

Das zu mir, zu uns stehen – braucht Mut. Lasst uns Menschen Wege aufzeigen, die ihnen helfen können, zu ihrer sexuellen Orientierung und geschlechtlichen Identität offen stehen zu können. Es sollte für alle Menschen möglich sein – ohne Einschränkung und ohne Gewalterfahrung. Lasst uns offen, ehrlich und kompromisslos bleiben und aufeinander zugehen. Nur gemeinsam können wir das erreichen, was es noch braucht, um Sichtbarkeit zu leben.

Danke, dass ihr alle heute hier seid. Ihr zeigt allen, wie vielfältig, lebens- und liebenswert die 

Menschen und unser Leben ist.

Happy Pride!